Stephan Winkler sind alle Malanlässe recht.
Für ihn ist es gleichgültig, ob Kuscheltier, Vase oder Haus – Herausforderung und Reiz sind, die Dinge im malerischen Prozess ins Bild zu setzen.
Er bedient sich hemmungslos oder unterschiedslos der gegenständlichen Welt als immer wieder neu zu formenden Materials. Mit Vorliebe bezieht er sein Rohmaterial aus den Trivialzonen der Wirklichkeit.
Was zeigt nun die konkrete Ausstellung?
Auf den ersten Blick erscheint die Gegenständlichkeit der Gemälde sperrig und spröde. Womöglich widersetzen sich die gleichförmigen, häufig zu Vierecken verkürzten Häuser, aufgereiht, zu Klumpen verdichtet oder in lockeren Haufen geordnet einer mühelosen Rezeption. Es ist, als prallte der Blick an den Wänden und Flächen ab, als könnte die Sparsamkeit der Form und die Trivialität der Dinge den Betrachter langweilen, die Schaulust enttäuschen.
Schauen wir also genauer hin. Im Bild „Es brennt noch Licht im Plattenbau“ sehe ich neun aufeinander geschichtete Vierecke und ordne ihnen die Bedeutung „Gebäude“ zu. So sehen typische mehrstöckige Sechziger-Jahre-Häuser in ihrer stereotypen Einförmigkeit aus – Schachteln mit Fenstern. Auch die Garagen passen ins städtebauliche Konzept. Das bauliche Ensemble „schwebt“ auf einem farbigen Grund, der entfernt an Landschaft erinnert. Die Bildfläche wird durch eine Linie gegliedert, die der Logik der Raumdarstellung zufolge vorgibt, Standfläche der Gebäude zu sein. Gegenüber dem malerischen Bildgrund in seiner nuancenreichen Farbigkeit erscheint der schwarze architektonische Klotz hart, wenn nicht sogar unpassend und störend.
Dass Stephan Winkler aber genau diese Spannungen reizen, dass er Wagnisse eingeht, dass er scheinbar Unpassendes, Gegensätzliches, auf der inhaltlichen Ebene Banales und Unerhörtes malerisch in Beziehung setzt, darin besteht seine Malkunst.
Im Bild können Sie nachvollziehen, wie Farbnuancen abgestimmt und ausbalanciert sind. Die Farben der Landschaft wiederholen sich beispielsweise im Muster des Gebäudes. Die Gratwanderung ist für Winkler aber immer, nie zu schön, nie zu stimmig, nie zu wohlgeformt zu sein. Die Störung garantiert die Offenheit des Bildes, lässt Alltagsobjekte ungewohnt, fremd erscheinen. Die anstößige Form vermittelt die Aufforderung an den Betrachter, Dinge anders zu sehen, vielleicht auch Dinge anders zu denken.
Der „Witz“ des Gemäldes besteht für mich darin, dass etwas Schweres, Dunkles, Sperriges in die Schwebe gebracht wird, dass mathematische Raumkonstrukte außer Kraft gesetzt und damit andere Betrachtungsweisen ermöglicht werden.
„Alles wackelt“. Im Bild werden Bezüge und Sachverhalte offenbar, die wir nicht in Betracht ziehen würden. Wieso schwebt ein Haus? Wie kann ein architektonisch konstruiertes Objekt in eine Beziehung zu einem unbestimmten Farbraum treten? Wie kann grafisches knallhartes Schwarz eine enge Nachbarschaft zu transparenter vielschichtiger Farbigkeit vertragen?
Stephan Winkler setzt an unseren Wirklichkeitserfahrungen an. Er greift tradierte Formen der Darstellungskunst auf, verschiebt im Bildprozess aber die Grenzen zwischen dem, was wir wissen, dem, dessen wir uns sicher sind, hin zu unbestimmten Räumen der Vorstellungskraft.
Die Wirklichkeit im Bild vermittelt Unvorhergesehenes, im Ungewohnten erscheint potentiell Denkbares.
Ursula Reinard, Auszüge aus der Eröffnungsrede
Ausstellung: „ Alles wackelt “ GALERIE REINARD, Gießen – Lützellinden
25.08.– 09.09.2012
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Für ihn ist es gleichgültig, ob Kuscheltier, Vase oder Haus – Herausforderung und Reiz sind, die Dinge im malerischen Prozess ins Bild zu setzen.
Er bedient sich hemmungslos oder unterschiedslos der gegenständlichen Welt als immer wieder neu zu formenden Materials. Mit Vorliebe bezieht er sein Rohmaterial aus den Trivialzonen der Wirklichkeit.
Was zeigt nun die konkrete Ausstellung?
Auf den ersten Blick erscheint die Gegenständlichkeit der Gemälde sperrig und spröde. Womöglich widersetzen sich die gleichförmigen, häufig zu Vierecken verkürzten Häuser, aufgereiht, zu Klumpen verdichtet oder in lockeren Haufen geordnet einer mühelosen Rezeption. Es ist, als prallte der Blick an den Wänden und Flächen ab, als könnte die Sparsamkeit der Form und die Trivialität der Dinge den Betrachter langweilen, die Schaulust enttäuschen.
Schauen wir also genauer hin. Im Bild „Es brennt noch Licht im Plattenbau“ sehe ich neun aufeinander geschichtete Vierecke und ordne ihnen die Bedeutung „Gebäude“ zu. So sehen typische mehrstöckige Sechziger-Jahre-Häuser in ihrer stereotypen Einförmigkeit aus – Schachteln mit Fenstern. Auch die Garagen passen ins städtebauliche Konzept. Das bauliche Ensemble „schwebt“ auf einem farbigen Grund, der entfernt an Landschaft erinnert. Die Bildfläche wird durch eine Linie gegliedert, die der Logik der Raumdarstellung zufolge vorgibt, Standfläche der Gebäude zu sein. Gegenüber dem malerischen Bildgrund in seiner nuancenreichen Farbigkeit erscheint der schwarze architektonische Klotz hart, wenn nicht sogar unpassend und störend.
Dass Stephan Winkler aber genau diese Spannungen reizen, dass er Wagnisse eingeht, dass er scheinbar Unpassendes, Gegensätzliches, auf der inhaltlichen Ebene Banales und Unerhörtes malerisch in Beziehung setzt, darin besteht seine Malkunst.
Im Bild können Sie nachvollziehen, wie Farbnuancen abgestimmt und ausbalanciert sind. Die Farben der Landschaft wiederholen sich beispielsweise im Muster des Gebäudes. Die Gratwanderung ist für Winkler aber immer, nie zu schön, nie zu stimmig, nie zu wohlgeformt zu sein. Die Störung garantiert die Offenheit des Bildes, lässt Alltagsobjekte ungewohnt, fremd erscheinen. Die anstößige Form vermittelt die Aufforderung an den Betrachter, Dinge anders zu sehen, vielleicht auch Dinge anders zu denken.
Der „Witz“ des Gemäldes besteht für mich darin, dass etwas Schweres, Dunkles, Sperriges in die Schwebe gebracht wird, dass mathematische Raumkonstrukte außer Kraft gesetzt und damit andere Betrachtungsweisen ermöglicht werden.
„Alles wackelt“. Im Bild werden Bezüge und Sachverhalte offenbar, die wir nicht in Betracht ziehen würden. Wieso schwebt ein Haus? Wie kann ein architektonisch konstruiertes Objekt in eine Beziehung zu einem unbestimmten Farbraum treten? Wie kann grafisches knallhartes Schwarz eine enge Nachbarschaft zu transparenter vielschichtiger Farbigkeit vertragen?
Stephan Winkler setzt an unseren Wirklichkeitserfahrungen an. Er greift tradierte Formen der Darstellungskunst auf, verschiebt im Bildprozess aber die Grenzen zwischen dem, was wir wissen, dem, dessen wir uns sicher sind, hin zu unbestimmten Räumen der Vorstellungskraft.
Die Wirklichkeit im Bild vermittelt Unvorhergesehenes, im Ungewohnten erscheint potentiell Denkbares.
Ursula Reinard, Auszüge aus der Eröffnungsrede
Ausstellung: „ Alles wackelt “ GALERIE REINARD, Gießen – Lützellinden
25.08.– 09.09.2012
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